Das Leben als Backpacker

Das Leben auf Reisen und als Backpacker

(An diesen Text habe ich die letzten acht Monate immer wieder geschrieben. Das heisst, er wurde an vielen verschiedenen Tagen ergänzt und darum ändern sich ab und zu die Meinungen und Gefühlslagen.)

Man wird beneidet von allen, sieht die ganze Welt, entdeckt wunderschöne Orte, lernt täglich neue Menschen kennen und muss für lange Zeit nicht arbeiten (ja nicht einmal daran denken). Der gesellschaftliche Druck (‚du musst verheiratet sein‘, ‚du musst Kinder haben‘, ‚du musst arbeiten und Geld verdienen und sparen‘, ‚du musst dich stets weiterbilden‘, ‚das und das solltest du noch erledigen‘) ist gleich Null. Man darf schlafen solange man will, kann essen was und wo immer man möchte und den ganzen Tag nur das tun, wozu man gerade Lust hat. Egal ob man schläft, die Stadt entdeckt, an den Strand geht, den ganzen Tag Games spielt, ein Buch nach dem anderen liest, faul in der Hängematte liegt… man kann tun, was immer man möchte, es interessiert niemanden, ausser vielleicht einen selbst. Was für ein wunderbares und unglaublich schönes Leben!

Nach und nach vergisst man, welcher Wochentag gerade ist, auch die Zeit scheint mehr und mehr unrelevant zu werden. Man steht auf, wenn man sich danach fühlt und wenn man müde ist, schläft man. Man quatscht einfach Menschen an, wenn man Lust hat sich zu unterhalten. Man lernt dabei noch besser englisch und erfährt viel Wissenswertes über andere Länder (Traditionen, Natur, Religion, …) oder hilfreiche Tipps und Ratschläge. Und wenn nicht – dann nicht.

Das Leben aus dem Koffer ist aber auch so, dass man ihn immer wieder neu packen muss und nimmt man sich mal einwenig Zeit um an einem Ort zu bleiben, kommt der Zeitpunkt wo man wieder ‚tschüss‘ sagen und das ‚lieb gewordene‘ hinter sich lassen muss, weil man weiterreisen will. Man tritt auch ab und zu ins Fettnäpfchen und erwischt ein heruntergekommenes, unsauberes Hostel in dem man nicht schlafen kann oder sich einfach nicht wohl fühlt.

Die meisten Menschen lernt man nur oberflächlich (Smalltalk) kennen, meist weiss man am Ende nicht mal mehr den Namen aber verbrachte eine wunderbare Zeit zusammen oder lernte was Neues dazu. Es gibt aber auch die Momente, wo man auf Menschen trifft, die man sofort ins Herz schliesst und mit denen man gerne etwas unternimmt, sich stundenlang unterhält und zusammen bis zum morgen lacht. Ab und zu ist es auch so, dass man sich im Land zweimal oder gar dreimal über den Weg läuft, was dann unweigerlich zu einem Bier führt.  Manchmal quetscht du dich mit anderen drängelnden Backpackern in einen Bus und du hast gar keine Lust mehr darauf, sie zu sehen, du willst deine Ruhe. Doch dann triffst du genau wieder auf Backpacker, mit denen du dich verbunden fühlst und du wie Bruder und Schwester alles teilst. Du liebst es Zeit mit ihnen zu verbringen und es ist, als würdet ihr euch schon Jahre lang kennen. Man redet nicht über Wer bist du, was machst du beruflich – nein, man trinkt Bier und redet ziemlich tiefgründig über Gott und die Welt.

Manchmal fährst du über 18 Stunden sitzend im Bus und kannst danach kaum noch stehen, fühlst dich total verdrückt und brauchst mindestens einen Tag danach um dich davon zu erholen. Manchmal sitzt du im Flugzeug und es rüttelt dich durch und du wünscht dir nur zu landen und zu überleben. Manchmal sitzt du mit Einheimischen in einem kleinen Ruderboot und flitzt durch Mangrovenwälder und türkisfarbenes Wasser und denkst dir es gibt nichts Schöneres. Manchmal schlägt dir auf dem Meer das Wasser ins Gesicht, du merkst, dass die Natur viel stärker ist, als alles, was der Mensch bis jetzt erschaffen hat und du bist nur ein kleiner Mensch auf einem riesigen Ozean auf einer richtig grossen Kugel irgendwo im Universum, der dankbar ist, diesen Moment und diese Einsicht grade zu erleben.

Als Backpacker machst du vorallem eines: Teilen. Du teilst dein Bett mit Hunderten, die vorher schon darin geschlafen haben, teilst in der Küche alles, was so rumsteht (abgesehen von den eigenen Lebensmitteln), teilst das Bad, die Toilette, den Platz im Bus, den Gemeinschaftsraum, das Wifi, einfach alles. Was ein schöner Gedanke und eine schöne Geste ist, allerdings sind die Backpacker meistens 18-26 Jährig und haben oft andere Ansichten oder Ansprüche – so ist relativ oft vieles schnell dreckig, Türen im WC werden vollgetagt mit Namen, Daten und Herzchen, in der Küche wird nicht abgewaschen oder Esswaren offen gelagert (was automatisch Tiere anzieht) und manchmal scheint man von Abfalltrennung noch nie was gehört zu haben (ganz nach der Meinung ‚i give a shit‘). Vergeblich versuchen dann die Hostels mit mehreren Zetteln das zu verhindern (‚please tag your food with your name and roomnr‘, ‚this is a smoke free zone‘, ‚kitchen open from 7am-10pm‘, ‚wash up‘, ‚clearly label all food‘, ‚please recycle‘, ‚free food storage‘, ’no cooking after 9.30pm‘, ‚check-out 10am‘, ‚free 100 MB every day‘), oftmals hängen aber so viele Zettel da, dass sie nicht mehr beachtet werden.

Du teilst aber nicht nur das, nein, vorallem teilst du mit allen eine grosse Gemeinsamkeit. Sie kommen aus völlig unterschiedlichen Ecken der Welt und sie sind wie du: offen für neue Länder, Kulturen und Eindrücke. Und es gibt immer jemanden, der in der genau gleichen Lage ist wie du.

Und dann ist da noch eine andere Seite… man kann doch nie wirklich entspannen, muss stets die nächsten Schritte/Tage/Transport/Übernachtung planen, möchte ab und zu auch mal seine Privatsphäre, etwas anderes zum anziehen, mehr Platz im Rucksack, mehr Geld auf dem Konto, mal wieder andere Ohrringe, coole Dinge kaufen die im Koffer aber leider keinen Platz haben und man vermisst seine Freunde und Familie von Tag zu Tag mehr und mehr, möchte wiedermal einfach auf einem Sofa sich einkuscheln mit einem heissen Tee, hat zuwenig Wifi, manchmal spielt das Wetter nicht mit und manchmal ist man leicht genervt vom Satz ‚geniesst es‘. Klar geniesst man, aber es ist das Leben und selbst bei uns Backpackern schleicht sich ein Alltagsleben ein und man geniesst nicht mehr jeden Moment sondern lebt auch hier halt einfach von Tag zu Tag. Aber auch hier schleichen sich die Gewohnheiten ein. Und wenn man mit dem Rucksack vorne und hinten beladen an einer roten Ampel steht, während es aus allen Eimern schüttet und man schwitzt vor hoher Luftfeuchtigkeit aber doch den Regenmantel anziehen muss, da in diesem Fall ein Schirm wenig nützt, dann macht das schon nicht wirklich Spass… da wünscht man sich dann eigentlich auch ein ‚zuhause‘ aber man ‚muss‘ jeden Tag weiter und weiter reisen.

Aber dann gibt es da das gewisse Etwas, die Essenz warum du auf Reisen gehst und deine Abenteuerlust stillst… da sind nämlich diese Momente in denen du wünscht, sie würden für immer stehen bleiben und du wünscht dir, dass du das Glücksgefühl, das dich in diesem Moment umgibt, für immer in dir behalten kannst. Die eine Minute in der du vollkommen(!) glücklich bist und dabei an nichts anderes denkst sondern nur für den einen Moment lebst. Und diese Momente zu erleben, ist einfach so wundervoll. Bei manchen dieser Momente, war das Gefühl von Glück so stark, dass ich sogar Tränen vor Freude in den Augen hatte. Manchmal scheint es so unwirklich. Du weisst nie, wann dich ein solcher Moment erwischt, aber wenn er da ist, geniesst du ihn vollends. Das sind unbeschreiblich schöne und wertvolle Momente!

Und dann ist da die Freiheit, die Welt die dir offen steht und du bist privilegiert und darfst selbst bestimmen, welchen Weg du gehen möchtest und was du sehen möchtest. Meistens lasse ich mich vom Herz leiten, was will ich – was nicht. Ich bin so dankbar, dass ich die Chance und die Möglichkeit habe, die Welt zu bereisen und zu sehen!

‚Eine Reise verändert dich‘ sagten mir immer alle und ich wartete gespannt auf diesen einen Moment, wo sie mich verändern würde. Ich war der festen Überzeugung, dass ich so bleibe wie ich bin. Ich meine mit 35 Jahren hat man seinen Charakter eigentlich gefestigt und steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Nichts desto trotz: auch bei mir veränderte sich etwas, ich wurde mutiger von mal zu mal. Habe mich selber immer wieder herausgefordert. Im Nachhinein denke ich, war ich schon fast einwenig eingeschlafen oder habe mich selbst schon einwenig aufgegeben. ‚Das kann ich nicht‘ sagte ich oft. Beim Reisen interessiert es niemand, du musst es einfach machen und das hat mir gezeigt, dass ich es eben doch kann und das war ein wirklich schönes Gefühl! Es sind kleine Schritte aber sie machen mich selbst stolz.

Wir tragen zehn Monate lang die gleichen Kleider und während der Reise sah ich vieles, dass sich für mich jetzt Falsch anfühlt. Kleider machen Leute,… aber was wirklich zählt ist das Herz am richtigen Fleck zu haben! Das ist die Essenz vom Mensch sein. Kleider spielen dabei keine Rolle! Und ich bin fest davon überzeugt: Gutes Karma, bringt gutes Karma zurück! Machst du etwas Gutes, wird dir Gutes wiederfahren. Das Universum gibt es dir in irgendeiner Weise zurück. Und wenn Menschen ungerecht, verschwenderisch, egoistisch, arrogant sind, rächt es sich irgendwann (z.B. Nebel auf dem Vulkan, Regen bei einem Tagesausflug o.Ä.)

Manchmal sitzt du aber auch da und fragst dich: ‚was tue ich hier eigentlich?.‘ In manchen Momenten wärst du einfach gerne zuhause, bei deiner Familie/Freunden. Aber du sitzt alleine irgendwo am anderen Ende der Welt, hörst dem Zirpen der Grillen zu, du hört schreiende Girls und gröhlende Jungs die Party machen und du bist alleine mit deiner Zigarette und denkst an den Zeitpunkt, wo du wieder zuhause bist ohne Job und ohne Geld. Und während du weg bist, feiern deine Freunde runde Geburtstage, Hochzeiten, OpenAirs oder gar Geburten. Oder es stirbt jemand, den du sehr gern gehabt hast und du kannst nicht an die Beerdigung :‘-( Ja an manchen Tagen, da wärst du echt lieber zuhause. Du fühlst dich schon einwenig abgestumpft ‚ah noch ein Wasserfall, schon 80 andere gesehen…‘. Manchmal ist es auch echt anstrengend immer unterwegs zu sein. Manchmal will man auch jammern. Und gerade wenn man krank ist, möchte man am Liebsten im eigenen Bett schlafen.

Und dann ist da noch was… die westliche Welt scheint soviel weiter entwickelt zu sein, aber wir haben etwas sehr Wichtiges verlernt: ‚Friede und Liebe untereinander‘ sind nicht einfach nur Wörter! In vielen Ländern die wir bereist haben, werden sie noch gelebt! Man unterstützt sich gegenseitig im Dorf, man hilft sich, man lädt sich gegenseitig zum Essen ein, bringt sich gegenseitig Sachen bei, teilt untereinander alles was man besitzt. Man respektiert sich untereinander. Nicht nur in der Familie, alle Nachbarn, das ganze Dorf. Man toleriert unterschiedliche Religionen, und liebt sich gegenseitig. Man stielt nicht, man teilt sowieso alles. Wir stecken unsere Oma’s ins Altersheim, schicken die Kinder so früh wie möglich in die Kita, arbeiten 9-12h pro Tag, üben ein Hobby regelmässig aus (z.B.Sport), besuchen eine Weiterbildung und haben zuwenig Freizeit, während wir uns pro Tag mindestens eine Stunde von Medien berieseln lassen die uns entweder genussvoll essende Raffaello-Beauty-Weiber auf der Trauminsel zeigen oder das tragische, reale Leben: Krieg, Mord, Tod und Terror. Wir sitzen da, haben Angst vor allem, wünschen uns auf die Insel und fühlen uns schlecht, weil wir weder das Geld, die Zeit noch die Figur für die Insel haben. Und bei Terror schliessen wir die Augen, können es gar nicht recht nachvollziehen, weil es soweit von der Schweiz weg ist und posten stattdessen ein Twitterselfie #prayforxxx. Und was sind das für Arschlöcher, die Polizisten nicht als Menschen sehen sondern als Feind den man zerstören muss? Gewalt ist so sinnlos! Der Mensch ist von Grund auf friedvoll und nur weil die Medien das Negative aufpauschen, leben wir in Angst und haben Angst vor anderen Menschen, Kulturen und Gebräuchen. Was ebenfalls sinnlos ist.

Und noch etwas: Geld zerstört uns. Geiz, Neid und Gier machen uns Menschen auf eine Art grausam und unsympatisch. Die Reichen verdienen mehr, die Armen werden noch ärmer. Geld verdirrbt die Menschen.

Was ich nicht mehr sehen kann, sind Leute mit ihren ‚Selfies‘ und ‚Selfiesticks‘. WTF! Ich war und bin immernoch schockiert, wie schlimm sich das Ganze entwickelt hat. Es wird online eine Scheinwelt gezeigt, die rein gar nichts mit Realität zu tun hat!!! Ich wiederhole es: Wirklich nichts mit der Realität zu tun hat!! Wirklich schrecklich! Teils waren wir auf Schnorchel-Touren, die Leute gingen nicht ins Wasser sondern posten mehrmals in verschiedenen Posen mit diversen Outfits auf dem Boot, dass sie jetzt schnorcheln gehen, gingen aber nicht; die Haare könnten ja nass werden. (#snorkeling #bestdayever). Oder der Moment in dem die Sonne auf-/untergeht, wird nicht der Moment genossen sondern ins Handy gestarrt und gepost. (#amazing #sunsetwithmylove). Oder Affen angefüttert um ein Affenbild zu haben, aber vorher wird x-mal gekreischt, weil der Affe nicht perfekt in die Kamera lächelt sondern sich mit den Fingern in den Haaren verfängt. #monkeyme. Viel standen die Leute auch im Weg, weil sie erst noch ein Selfie machen mussten, bevor sie jemanden durchlassen. Ach einfach schrecklich… wirklich schrecklich… Oder die berühmten Selfie-Instagram Orte sind meistens so überfüllt, die Person war sicher an dem Ort aber nur für 10 Sek. Die berühmten Instagram Orte werden oft einfach abgehüpft, ein Ort nach dem Anderen. Kurze Pose und weiter gehts. Nicht stehen bleiben, nicht den Ort wirken lassen, hauptsache die Schminke passt zur RayBan Sonnenbrille und dem lässig um die Hüfte geschwungenen Holzfällerhemd und am Arm sieht man das tattoovierte Dreieck. So ein Quatsch! Punkt. Aus.

Was wirklich wichtig wäre, wäre doch sind einzusetzen für etwas Sinnvolles. Anderen Menschen helfen, sich Zeit nehmen für seine Kinder oder die Welt und die Umwelt. Das Plastikproblem nochmals ansprechen und eine Lösung finden! Unser Meer ist voll davon! Gerade in Indien, Indonesien und Brasilien landen die Plastikflaschen, Plastiksäcke und Plastikverpackungen direkt im Meer oder stapeln sich auf der Insel! Teils sind ganze Strände damit voll! Was kannst du tun? Hör auf den scheiss Plastik zu nutzen und zwar wo immer du nur kannst! Werde ein wichtiger Teil und hör z.B. auf kleine Plastikflaschen zu kaufen oder achte auf das Pet Symbol! Werde aktiver Trash-Hero und unterstütze diese Organisation!

Geschichte und Kultur sind sehr wichtig für unsere Gesellschaft! Jedes Land sollte ihre eigene gut wahren und stolz darauf sein.

Ich hatte kein einziges mal Angst in all den Ländern die wir bereist haben. Es gab auch keine unangenehmen oder beängstigende Situationen.

Alles in allem kann ich sagen: ich liebe das Reisen und zu zweit reisen ist wundervoll! Vorallem wenn man den richtigen Partner an seiner Seite hat, denn dann kann man die schönsten Momente auch teilen und einander immerwieder vor Augen führen.

Kurz und knapp

  • alles ist auf deiner Reise ersetzbar ausser dein Reisepass und deine Bank/Kreditkarte. Die sind dein wichtigstes Hab und Gut.
  • Das man Wasser direkt vom Hahn trinken kann, ist Luxus par excellence!
  • Umweltschutz ist sehr wichtig und jeder sollte wenigstens seinen eigenen Beitrag dazu leisten! Zwingend!