1650 nette kleine Monster

Text: Guido Berlinger-Bolt

„Wo ist es hin?“ fragt die Künstlerin von der Leiter herunter. Das Mega-Sockstar-Monster von einem knappen Meter Grösse ist – weg! Für ihre nun über 1650 netten kleinen Monster wurde Clarissa Schwarz berühmt. Sie stopft Socken, näht daraus Arme und Beine, Augen und Fühler und schaffte so in den vergangenen 5 Jahren ein Heer von Sockstars; die leben heute über den Globus verteilt. Für ihre aktuelle Schau in der Galerie vor der Klostermauer nähte sie zum ersten Mal ein überlebensgrosses Monster. Nun will sie es zeigen und muss es suchen in ihrem Atelier in der St. Galler Innenstadt, suchen in allen Kisten und Schränken. Vergeblich. Nun denn: Schaden wird das Mega-Sockstar-Monster sicherlich keinen Anrichten: Clarissa Schwarz’ fantastische Kreaturen sind zumeist nett, scheu und auf der Suche nach Zärtlichkeit.

Und fast immer geschieht einem gleich: Man geht durch Clarissa Schwarz’ Geschichten und entdeckt plötzlich sich selbst, ein Kätzchen oder eins der Sockstar-Monster, das (symbolhaft, angedeutet) die eigenen Züge trägt. Man identifiziert sich unversehens mit einer Figur von Clarissa Schwarz’ schwarz-weissem, ein bis sechsarmigem, spitzzahnigen, Fühler-geschmückten oder hasenohrigem Personal. Raum und Zeit, unsere beiden Seinskonstanten, erhalten von der St. Galler Künstlerin neue Formen, undenkbare Formen und unerhörte. Dies Traumhafte steht in scharfem Kontrast zum exakten, kontrollierten, ja peniblen Zeichnen von Clarissa Schwarz, in krassem Gegensatz auch zu ihrem radikalen Farbkonzept von schwarz und weiss.